Kürzlich kann in einer Gesprächsrunde auch das – medial momentan sehr präsente – Thema Frauen im Sport auf. Genauer gesagt: Frauenfußball. Die diskutierte Frage war, ob Frauenfußball überhaupt richtiger Fußball sei. Männliche Traditionalisten trafen auf feministische Sportfans. Und ich war auch dabei – als Fan des Frauenfußballs.
Ist Frauenfußball richtiger Fußball?
Ja, ist es – aber kein Männerfußball. Wer das verstanden hat, hat viel kapiert. Natürlich spielen sie nicht Männerfußball. Frauen spielen Frauenfußball. Wer Frauen an Männern misst und umgekehrt, wird ein Leben voller Missverständnisse führen. Aber das ist ein anderes Thema. Im Sport ist es nur der Fußball, der sich diesem Vergleich unterziehen muss. Das kommt daher, dass Männer noch immer glauben, der Fußball gehöre ihnen. So wie die Schlagbohrmaschine oder der Platz am Grill. Oder käme irgendjemand auf den abstrusen Gedanken die amtierende 100m-Olympiasigerin Elaine Thompson ignorant zu belächeln, weil sie einen Sprint gegen Usain Bolt verlieren würde? Fußballer äußern dagegen noch immer leidenschaftlich die Überzeugung, dass die Frauen-Nationalmannschaft nicht einmal gegen eine männliche Kreisligamannschaft bestehen würden.
Anders, aber wunderbar …
Auch ich muss mich outen: manchmal vermisse ich die Dynamik und die Schusskraft des Männerfußballs, wenn ich mir ein Frauenmatch anschaue. Frauen können nicht so hart schießen wie Männer. Sprints, Spielzüge – das Spiel ist langsamer. Doch wer im Biologieunterricht auch nur ab und an anwesend war, dürfte von einer Tatsache nicht wirklich überrascht sein: Männer und Frauen haben einfach andere physische Voraussetzungen. Anders ist dick gedruckt, da wir nicht von besseren oder schlechteren Voraussetzungen reden, sondern nur von anderen.
Dieses ‚anders‘ ist bspw. dann greifbar, wenn man Artikel u.a. über die Frauenmannschaft von Chelsea liest, die unter der Trainerin Emma Hayes angefangen hat, das Training auf den weiblichen Zyklus abzustimmen. Oder auf Instagram der Leichtathletin Ruth Sophia Spelmeyer-Preuß (https://www.instagram.com/400mruth/?hl=de) folgt, die auf wunderbare Art für die Enttabuisierung des Thema der weiblichen Menstruation im Sport wirbt. Von vielen Männern mag dies belächelt oder gar als Tabuthema angesehen werden, aber aus sportwissenschaftlicher Sicht ist eine Beschäftigung mit solchen geschlechterspezifischen Themen natürlich unabdingbar. Die Periode hat nachgewiesenermaßen Auswirkungen auf Muskelauf- und abbau, Gewichtsveränderungen, Wassereinlagerungen und Entzündungswerte. Warum also um alles in der Welt sollt das Training von Frauen den Trainingsplänen der Männer folgen? Aber auch das ist ein anderes Thema.
Frauenfußball ist anders als Männerfußball – und das ist auch gut so. Ich überspitze es einmal: Fußballerinnen können ihre Körperflüssigkeiten auf dem Platz bei sich behalten. Fußballerinnen fallen nicht theatralisch bei minimalstem Körperkontakt um. Und die üblichen Rudelbildungen des Männerfußballs wird man bei Frauen auch selten vorfinden. Kurzum: es steht der Sport im Mittelpunkt und nicht die Selbstinszenierung.
Die Zukunft des Fußballs ist weiblich
2007 erklärte FIFA-Präsident Sepp Blatter vollmundig: „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“. Gut, der Mann war nicht gerade ein uneingeschränkter Sympathieträger, aber die Grundhaltung hinter der Aussage ist goldrichtig. Natürlich ist der Fußball auch 2021 noch eine männliche Domäne und Frauenfußball ist oftmals noch eine Randnotiz. Vielleicht liegt das auch daran, dass die FIFA nach dem Blatter-Statement noch 11 (!) Jahre gebraucht hat, um ein Strategiepapier zur Förderung des Frauenfußballs auszuarbeiten. Darin hat sich die FIFA u.a. das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2026 die Marke von 60 Millionen organisierten Fußballerinnen zu knacken. Gut, dass der Weltverband sich eine klare Zielmarke gesetzt hat. Vielleicht tragen auch derartige Signale zur wachsenden Professionalisierung und medialen Präsenz des Frauenfußballs bei.
Große Clubs als Motor des Frauenfußballs
Im Sinne der Professionalisierung ist zu beobachten, dass die größten und bekanntesten Clubs aus dem Männerfußball verstärkt in Frauenteams investieren. Schaut man sich die Viertelfinals der UEFA Women’s Champions League aus der laufenden Saison 2020/21 an, so fällt auf: nur Clubnamen, die auch dem Frauenfußball-Laien etwas sagen. Chelsea FC, FC Barcelona, VfL Wolfsburg, Olympique Lyon, Bayern München, Manchester City und Paris Saint-German. Mannschaften, die (mit der Ausnahme der Wolfsburger) so auch in der Champions League der Männer eine wichtige Rolle spielen. Nur der achte Club im Bunde – der schwedische Rekordmeister FC Rosengard – ist für den männlichen Betrachter ein (wahrscheinlich) unbekannter Name.

VfL Wolfsburg vor dem UEFA Women’s Champions League-Finale 2018 gegen Olympique Lyon (Quelle: Shutterstock)
Als letzter Club aus der Bel-Etage des europäischen Männerfußballs übernahm übrigens auch Real Madrid 2020 mit dem CD Tacon einen spanischen Erstligaclub und hat den Einstieg in den Frauenfußball gewagt. Natürlich nicht ohne sofort zu investieren und zahlreiche Weltklassespielerinnen zu verpflichten.
Ein ähnliches Bild zeichnet auch die Bundesliga der Frauen. Waren zur Jahrtausendwende noch Clubs wie der FCR Duisburg, der SC 07 Bad Neuenahr oder der FFC Heike Rheine Stammkräfte in der Liga, so wurden diese sukzessive von bekannten Männerclubs wie Werder Bremen, Bayer 04 Leverkusen oder die TSG Hoffenheim abgelöst. Und spätestens mit dem Zusammenschluss des 1. FFC Frankfurt mit Eintracht Frankfurt wurde klar: ohne die Infrastruktur und die Finanzkraft der etablierten Clubs aus dem Männerfußball wird man künftig kaum noch realistische Titelchancen haben.
Ich finde es wunderbar, dass aus dem Zusammenspiel von hochklassigen Männer- und Frauenteam in Topclubs eine weitere Professionalisierung des Frauenfußballs erwächst. Natürlich ist es schade, dass Dorfclubs das sportliche Leistungsniveau nicht länger halten können. Die Tatsache, dass sich die Strahlkraft der großen Clubmarken auch auf die Frauenteams überträgt, ist aber eine tolle Sache. So findet der Frauenfußball nahezu automatisch mehr Beachtung.
Große Bühne statt Nebenplatz
Dazu tragen auch Ansätze wie bspw. eine bessere Spieltagsterminierung, so dass die Zuschauer nicht zwischen ihren Lieblingsmannschaften der Männer und der Frauen entscheiden müssen, bei. Und auch die wachsende Bereitschaft Frauenmatches in das Hauptstadion des Clubs zu verlagern, kann ein Schlüssel zum Wachstum der Zuschauerzahlen sein. Als im September 2019 der Chelsea FC zum Saisonauftakt gegen die Tottenham Hotspurs vor knapp 24.000 Zuschauern an der Stamford Bridge antrat, war es schlicht etwas anderes als die normalen Matches im 4.850 Zuschauer fassenden Kingsmeadow. Auch andere Clubs bieten ihren Frauenmannschaften regelmäßig die große Bühne: Olympique Lyon Féminin bspw. trägt bedeutende Heimmatches im Groupama Stadium (Kapazität: 59.000 Zuschauer) aus. Natürlich sorgt auch diese für eine andere Atmosphäre und Aufmerksamkeit als der Ligaalltag im Groupama OL Training Center mit seinen 1.524 Plätzen.
Es darf bezweifelt werden, dass Frauenmannschaft regelmäßig Stadien der 20.000-Kategorie oder größer füllen können, aber das Signal ist genau richtig: wir holen den Frauenfußball vom Nebenplatz auf die Hauptbühne!

Innenansicht des Groupama Stadium (Quelle: Shutterstock)
Positiver Trend der Flyeralarm Frauen-Bundesliga
1,104 Mio. EUR. Auf diese Summe sind die Einnahmen der Bundesligisten im Durchschnitt in der abgelaufenen Saison 2019/20 angewachsen. Damit konnte der bisherige Höchstwert aus der Saison 2016/17 (1,041 Mio. EUR) geknackt werden. Wesentlicher Motor für diese Umsatzzahlen sind steigende Sponsoringeinnahmen (durchschnittlich 586 TSD EUR). Nur die Zuschauerzahlen waren in der Spielzeit 2019/20 auf einem überschaubaren Niveau – sogar Zuschauerprimus VfL Wolfsburg kam im Schnitt nicht einmal auf 2.000 Zuschauer pro Partie. Positiv fällt aber die mediale Berichterstattung auf: ganze 78 Stunden Frauenbundesliga im Free-TV – so viel wie noch nie.
Aber … warte mal. Lautet die Überschrift Flyeralarm Frauen-Bundesliga? Ja, denn das Würzburger E-Commerce-Unternehmen ist seit Sommer 2019 Namensgeber der Bundesliga (zunächst für vier Jahre). Damit stößt Flyeralarm in die Gruppe der Sponsoren, die den Mehrwert von Engagements im Frauenfußball für sich erkannt haben. Allen voran sind dort die Allianz, die Commerzbank und Henkel zu nennen. Allessamt Sponsoren, die sich das günstige Verhältnis aus überschaubaren Sponsoringkosten und einer genauso überschaubaren Sponsorendichte zunutze machen. Anders als im Männerfußball wird man bspw. mit Investments im mittleren sechsstelligen Bereich schon zum Premium-Partner der Frauen-Nationalmannschaft. Beträge, über die im Männerfußball nur geschmunzelt wird. Und doch schaffen es diese Sponsoren durch überzeugende Aktivierungen (ich verweise da auf zahlreiche Spots der Commerzbank mit Nationalspielerinnen) eine hohe Aufmerksamkeit zu erschaffen.
Passend dazu forderte Eurovision Sports seine Mitglieder auf, ihre Berichterstattung über den Frauensport zu erhöhen und nicht zuzulassen, dass die COVID-19-Pandemie die jüngsten Errungenschaften in diesem Sektor zunichte macht (https://www.sportbusiness.com/2021/03/eurovision-sport-urges-members-to-set-targets-for-womens-sports-coverage/). Ein weiterer Baustein, um den Frauenfußball nicht nur für Fans, sondern auch für Sponsoren noch attraktiver zu machen.
Sponsoringpotential wird nicht ansatzweise ausgeschöpft
Parallel kommt Brand Finance im Brand Finance Football Annual (LINK) aber zum Resultat, dass global etwas 1,2 Mrd. US-Dollar an Sponsoringpotential vom Frauenfußball nicht genutzt werden. Dies hat hauptsächlich damit zu tun, dass die Sponsoringverträge der Männermannschaften auch Leistungen im Frauenfußball umfassen. Sozusagen als optische Aufhübschung des Leistungsportfolios. Aber auch die teilweise mangelhafte Professionalität in Sachen Vermarktung spielt eine Rolle. Faktisch werden sich die Akteure im Frauenfußball mittel- bis langfristig Gedanken über eine bessere Vermarktung machen.
Mit gutem Beispiel schreitet dort die UEFA voran, die im November bekannt gab, die Sponsoringrechte der UEFA Women’s EURO 2021, der UEFA Women’s Champions League ab 2018 und der UEFA-Juniorinnen-Nationalmannschaftswettbewerbe in einem Paket zusammenfassen zu wollen. Damit fand erstmals eine Loslösung von den Männern statt. Und schon wenige Monate später präsentierte man mit VISA den allerersten UEFA-Sponsors für den Frauenfußball. Das Sponsorship gilt für sieben Jahre bis 2025 und umfasst die Women’s Champions League, die Women’s EURO, die U19- und U17-Europameisterschaften sowie die Women’s Futsal EURO.
Lange Rede, kurzer Sinn.
Natürlich ist Frauenfußball richtiger Fußball. Man muss ihn nicht mögen, aber das Recht ihn zu verspotten darf sich niemand rausnehmen. Schon gar nicht die Sportskameraden, die in der 4. Kreisklasse kaum einen Pass sauber annehmen können. Ich wünsche mir, dass sich der Frauenfußball weiter vom Männerfußball emanzipiert und nicht nur als langsamere Variante des Männerfußballs betrachtet. Sowohl trainingswissenschaftlich als auch sportökonomisch ist er ein überaus spannendes Themenfeld. Wenn die handelnden Personen es schaffen, den Frauenfußball weiter zu professionalisieren und sein wirtschaftliches Potential ausnutzen, dann wird die Zukunft des Fußballs zumindest weiblicher. Und das wäre auch gut so.
Da schließe ich mich zu 100% der ‚Ode an den Frauenfußball‘ des ARD-Kommentator Bernd Schmelzer an, der den Frauenfußball seit mehr als 25 Jahren begleitet. Warum er ihn so liebt, erzählt er hier: https://www.volkswagen.de/de/marke-und-erlebnis/wedrivefootball/stories/auf-der-tribuene/eine-ode-an-den-frauenfussball.html.
Ach ja: die Frauen-Nationalmannschaft würde übrigens eine männliche Kreisligatruppe in Grund und Boden spielen. Tragt dieses Schicksal bitte mit Würde, liebe Bolzplatz-Helden.